Als Ferdinand Adolph Lange vor 175 Jahren in Glashütte den Grundstein für die dortige Uhrenindustrie legte, war Johannes Dürrstein, der Unternehmensgründer von UNION Glashütte, naturgemäß noch nicht vor Ort, denn er ist erst im gleichen Jahr, am 22. August 1845, in Niederrad bei Frankfurt / Main zur Welt gekommen. Und doch kann man diesen bemerkenswerten Unternehmer getrost zu jenen zählen, die den guten Ruf des Glashütter Uhrenhandwerks in alle Welt getragen haben. Dabei war Dürrstein noch nicht einmal ein Uhrmacher, sondern mit Leib und Seele Kaufmann. Und nicht nur das: Er war zugleich veritables Marketinggenie, erfolgreicher Netzwerker, leidenschaftlicher Kunstliebhaber und ein großer Menschenfreund.
Der Kaufmann
Sein kaufmännisches Wissen erwarb Johannes Dürrstein in der Großhandelsfirma Ludwig & Fries in Frankfurt am Main, wo er eine Lehre absolvierte. Während seiner Wanderjahre in der Schweiz und als Reisender für eine Schweizer Uhrenhandlung knüpfte er die Kontakte zu Uhrenproduzenten und Abnehmern, die zum Kapital seiner späteren Tätigkeit wurden. So lernte er auch den Dresdner Kaufmann Carl Felsing kennen, der ihm Unterstützung und das Startkapital für eine eigene Uhren- Großhandlung in Dresden bot. Hier eröffnete Johannes Dürrstein am 19. Januar 1874 seine Uhrengroßhandlung „Dürrstein & Compagnie“, die zum Dreh- und Angelpunkt seines Wirkens wurde und viele Jahre über seinen Tod hinaus fortbestand.
Der Netzwerker
Die sächsische Residenzstadt Dresden war in den Gründerjahren ein bedeutendes Industrie-, Handels- und Kulturzentrum, geprägt durch die Schönheit seiner barocken Bauwerke und ein multikulturelles Ambiente. Diese Stadt bot Dürrstein beste Voraussetzungen für den Start seines Großhandels und eine breite Käuferschicht für sein Sortiment mit Schweizer und deutschen Uhren.
In kürzester Zeit war Johannes Dürrstein bestens in der Dresdner Gesellschaft vernetzt, zum Beispiel durch seine Mitgliedschaft in der Freimaurer-Loge „Zum Goldenen Apfel“. Zu den obersten Geboten der Freimaurer zählten humanistische Werte wie die Achtung der Würde des Menschen, Toleranz und die freie Entwicklung der Persönlichkeit. Dass Johannes Dürrstein eine solche Geisteshaltung lebte, wussten auch seine Mitarbeiter zu schätzen. die stets auf seinen Rat und seine Unterstützung zählen konnten.
Der Kunstliebhaber
Zudem schlug Dürrsteins Herz für das Schöne, die Kunst und die Gestaltung. Als Vorstandsmitglied im Dresdner Kunstgewerbeverein und außerordentliches Mitglied der Dresdner Kunstgenossenschaft stand er im engen Austausch mit dem Architekten Carl L. T. Graff. Unter dessen Mitwirkung entstanden opulent verzierte Prunk-Uhrengehäuse, die Dürrstein in seiner Uhrenhandlung anbot. Die kunstvoll dekorierten Taschenuhrengehäuse wurden überaus geschätzt, denn solche kostbaren Kleinodien ermöglichten es wohlhabenderen Bürgerschichten, ihren Wohlstand zur Schau zu tragen.
Der Marktkenner
Dürrstein erkannte einen wachsenden Bedarf nach preiswerten Gebrauchsuhren, die für jedermann erschwinglich waren – und das damit verbundene Umsatzpotenzial. Deshalb war er bestrebt, auch solche Uhren im Sortiment zu führen, die im mittleren Preissegment mit einer guten Qualität zu handeln waren und mit denen man größere Kundenkreise erschließen konnte. Im neu zusammengeführten Deutschen Reich erkannte er ein enormes Absatzgebiet und weitete seine Handelsbeziehungen darüber hinaus global aus. Schon bald exportierte Dürrstein & Compagnie jährlich über fünfzigtausend Taschenuhren. Die notwendige Zulieferindustrie hatte Dürrstein in der Schweiz gesichert. Ab 1886 brachte er eigene Uhrenmarken aus eigener Schweizer Uhrenproduktion auf den Markt, die ein individuelles Firmenemblem trugen, darunter „D+C“, „Stern mit einem D“, „Union Glocke“ und weitere Gebrauchsuhren unter eigenen Handelsmarken.
Dürrstein wusste: Die teuren Uhren aus Glashütte wurden geschätzt, aber nur die wenigsten Menschen konnten sie sich leisten. Noch dazu lagen die Preise immer noch etwas über denen der Schweizer Konkurrenz. Folglich wurde der Bedarf nach preiswerteren Taschenuhren mit hohen Qualitätsmerkmalen vornehmlich mit Schweizer Fabrikaten gedeckt.
Der Gründer
Deshalb überredete Johannes Dürrstein die Firma A. Lange & Söhne, eine kostengünstigere Variante der Glashütter Präzisions-Taschenuhr herzustellen. Diese wurde im Jahr 1878 unter der Marke „Deutsche Uhrenfabrikation“ (DUF) etabliert und exklusiv von Dürrstein gehandelt. Offenbar hatte Dürrstein damit einen Nerv getroffen, denn das Produkt erwies sich als äußerst erfolgreich. Jedoch
offenbarte es auch abweichende Auffassungen der beiden Unternehmen bezüglich rationeller Fertigungsweisen. Denn anders als die alteingesessenen Glashütter Hersteller zeigte sich Johannes Dürrstein aufgeschlossen gegenüber neuen Fertigungsmethoden, die im Zuge der Industrialisierung eine größere Arbeitsteilung vorsahen und preiswertere Produkte ermöglichten. Als die Differenzen unüberbrückbar schienen, erfüllte sich Johannes Dürrstein einen Herzenswunsch und gründete am 1. Januar 1893 die Uhrenfabrik UNION Glashütte. Sie sollte am Standort Glashütte, wo der Präzisionsuhrenbau nur das Beste und Feinste hervorbrachte, neue Maßstäbe setzen.
Die technische Leitung der Uhrenfertigung übertrug Dürrstein von Anfang an dem versierten Uhrmachermeister Julius Bergter. Dieser hatte ehemals als Lehrer an der Deutschen Uhrmacherschule und seit 1882 als technischer Berater bei Dürrstein & Compagnie gearbeitet. Als Direktor der UNION Uhrenfabrik war er für die Entwicklung komplizierter Taschenuhren zuständig. Bereits im Jahr der Gründung stellte UNION Glashütte die erste in Glashütte terminierte Grande Complication auf der Chicagoer Weltausstellung vor. Kurze Zeit später regte Dürrstein den Bau der Universaluhr an, die bis heute zu den kompliziertesten Taschenuhren zählt, die je in Glashütte gebaut wurden. Doch auch den einfachen Taschenuhren aus der Fertigung der UNION Uhrenfabrik wurde stets eine Qualität und Präzision nachgesagt, die anderen Fabrikaten mindestens ebenbürtig war.
In ihrer gesamten ersten Produktionszeit von 1893 bis 1926 bot die UNION Uhrenfabrik ein ebenso anspruchsvolles wie vielfältiges Produktionsprogramm, das von einfachen Gebrauchsuhren über Marine-Chronometer bis zu den aufsehenerregenden Grande Complications reichte und sich weit über Deutschland hinaus erfolgreich verkaufte. Auch damit trug Johannes Dürrstein seinen Teil dazu bei, den Ruf von Glashütte in alle Welt zu tragen. Er verstarb im Jahr 1901 im Alter von nur 56 Jahren.
Heute ist UNION Glashütte stolz auf den Gründervater und beherzt seine Ideale – umgesetzt nach zeitgemäßen Standards: die Idee einer Uhr in Glashütter Qualität mit präzisem, individuellem Werk zu einem bezahlbaren Preis, das Faible für ein schönes, sorgfältig verarbeitetes Uhrendesign und die Nähe zum Kunden. Die aktuellen Zeitmesser von UNION Glashütte sind für Menschen von heute gemacht, doch sie nehmen vielfach Bezug zu den Taschenuhren jener Zeit, ganz besonders in der Kollektion „1893“. Noch in diesem Jahr, in dem sich der Geburtstag von Johannes Dürrstein zum 175. Mal jährt, komplettiert UNION Glashütte die dreiteilige Serie mit Handaufzugswerk, die seinen Namen trägt. Darüber ist ein weiteres attraktives Set als Hommage an Johannes Dürrstein geplant.
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