Bisher wurde bei modular aufgebauten Uhrwerken meist vom gleichen Grundprinzip ausgegangen. Man nehme ein standard Dreizeigerwerk als Antrieb und setze auf der Zifferblattseite ein Modul für weitere Funktionen (z.B. ein Chronograph, eine zweite Zeitzone, …) drauf. Dieses Modul beinhaltet dann alle Teile, die für die Zusatzfunktion notwendig sind. Man spricht dann bei einem so aufgebauten Chronographen von einem Modul Chronographen im Gegensatz zu einem integrierten Chronographen bei dem alle Teile für die Chronosteuerung direkt ins Basiswerk integriert sind. Die dafür verwendeten Werke stammen meist aus den ETA Fabriken und sind Entwicklungen aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts.
Da das Funktionsmodul bisher immer auf das Basisuhrwerk aufgesetzt wurde ergaben sich gewisse Nachteile. Zum einen wird das Werk recht hoch, meist sitzt dann das Datum, das ja in aller Regel vom Grundwerk bereitgestellt wird, tief wie in einem Loch im Zifferblatt. Bei einem Chronographen Modul sitzen z.B. die Drücker für den Chrono auf einer anderen Ebene als die Krone. Die Durchmesser der Werke aus den 70ern sind für heutige Uhren zudem recht klein, und so sitzen die Funktionen, wie z.B. das Datum, gedrängt Richtung Zifferblattmitte.
Einen ganz anderen Weg beschreitet jetzt B. Junge & Söhne mit einem neu entwickelten Werk, das in Glashütte gefertigt werden wird. Man spricht hier in Anlehnung an das modulare Gehäusekonzept von einem modularen Konstruktionsprinzip. Allerdings handelt es sich hier um ein integriertes Chronouhrwerk, das je nach Bestückungsgrad in verschiedenen Ausprägungen, vom einfachen Dreizeigerwerk bis zum Chronographen mit zusätzlichen Komplikationen, eingesetzt werden kann.
Das Pflichtenheft, das Heinz W. Pfeifer für sein neues Werk aufgestellt hat, beinhaltet einige grundlegende Vorgaben. Zum Ersten sollen bei der funktionalen und robusten Konstruktion so viele Teile wie möglich eingespart werden. Somit können die Herstellkosten für das Werk und damit der Preis für die Uhr, in der es ticken wird, in Grenzen gehalten werden. Auch die Verwendung von möglichst vielen Gleichteilen für verschiedene Varianten des Werkes dient diesem Ziel. Neben einem Dreizeigerwerk mit Datum sollen sinnvolle Komplikationen wie ein Chronograph oder eine zweite Zeitzone angeboten werden. Beim Design des Werkes ließ man sich dabei von der Automobilindustrie inspirieren. Auch hier entwickelt man heute Plattformen, um auf derselben Basis eine Limousine, einen Kombi, ein Cabrio oder ein anderes Modell in einer anderen Konzernmarke anbieten zu können. Und so wurde das neue B. Junge & Söhne Werk nicht als klassisches Modulwerk, sondern als Plattformwerk entwickelt. Alle Funktionen sind schon auf der Grundplatine vorhanden und je nach Bestückung wird dann entweder eine Dreizeigeruhr (mit Zentralsekunde oder kleiner Sekunde) oder ein Chronograph daraus. Auch für weitere Zusatzanzeigen (wie z.B. eine zweite Zeitzone) sind schon die Bohrungen und Lagerpunkte auf der Grundplatine vorgesehen. Mit diesem Ansatz vermeidet man die Nachteile bisheriger Modulwerke und schafft ein zeitgemäßes Werk für moderne Uhren. Eine weitere wichtige Vorgabe war, dass alle Teile des Werkes entweder selber gefertigt oder von kleinen mittelständischen Zulieferern bezogen werden können. Selbstverständlich soll das Werk entweder mit einem Handaufzug oder mit einem automatischen Aufzug ausgestattet werden können.
Die ersten Prototypen des BJ 010 Manufakturkalibers werden im Mai 2012 der Öffentlichkeit vorgestellt. Es ist ein Chronograph mit einem beidseitig aufziehenden automatischen Aufzug der alle Anforderungen aus dem Pflichtenheft erfüllt. Seine technischen Daten können sich sehen lassen. Das 14 ¾ Linien (33,5 mm) große Werk ist 8 mm hoch. Es bietet Platz für ein großes Federhaus, das für eine Gangautonomie von ca. 48 Stunden sorgt, und die große Unruh arbeitet mit einer Frequenz von 4 Hz (28.800 Halbschwingungen pro Stunde). Das Echappement wird selbst gefertigt und die Spirale kommt aus dem Schwarzwald.
Auch bei der Steuerung des Chronographen geht man eigene Wege. Die „Nockenradsteuerung“ vereint die Vorteile einer Kulissenschaltung (einfach herzustellende flache Teile) mit denen eines Schaltrades (zuverlässige Führung).
Auf der Zifferblattseite befindet sich bei der „12“ ein 60-Minuten-Zähler und bei der „6“ eine kleine Sekunde. Das Datum steht bei der „3“ und bietet aufgrund des Werksdurchmessers eine angenehme Größe (2,6 x 3 mm). Dieses Layout mit der Betonung senkrechten Linie („12“ – „6“) wird künftig das Gesicht der B. Junge & Söhne Uhren prägen.
Die jetzt vorgestellten Werke sind noch nicht mit der endgültigen Feinregulierung ausgestattet. Auch hier möchte man bei B. Junge & Söhne eine eigene Konstruktion einsetzen. Da diese aber eventuell patentiert werden soll, kann sie nicht vor der Einreichung des Patentes gezeigt werden. Die Form der Brücken und Globen sowie das Finish der Oberflächen entsprechen auch noch nicht der endgültigen Ausführung. Wichtig ist im Moment ein technisch funktionierendes Werk zu zeigen.
Nach diesen ersten von Hand gefertigten Prototypen soll im Spätherbst 2012 in Glashütte die Produktion einer Nullserie aus den Fertigungswerkzeugen anlaufen. Wenn alles wie geplant, läuft wird im Frühjahr 2013 die Serienproduktion des Werkes anlaufen. Es soll als erstes in der neuen „Mastermind“ Linie von B. Junge & Söhne verwendet werden. Diese zukünftige Toplinie der BJS Kollektion wird ausschließlich mit eigenen Manufakturwerken ausgestattet sein.
Für die Produktion der Werke plant BJS Gründer Heinz W. Pfeifer eine eigene Firma in Glashütte zu gründen. Und da dem Werk sehr einfach durch Veränderung weniger Teile ein anderes optisches Erscheinungsbild gegeben werden kann, könnte es dann auch in Varianten in Uhren anderer Glashütter Firmen auftauchen. Vielleicht erleben wir damit sogar den Beginn einer neuen Glashütter Uhren Rohwerke Fabrik ?